Glücksspielstaatsvertrag: Bilanz nach einem Jahr mit neuem Regelwerk
Glücksspielstaatsvertrag: Seit Juli 2021 gilt das neue, bundesweite Regelwerk. Das neue Gesetz soll Spielsucht eindämmen. Derzeit ist die Bilanz jedoch eher ernüchternd.
Niedersachsen investiert viel Geld für Präventionen
In Niedersachsen allein werden 24 Fachkräfte für Glücksspiel-Prävention gefördert. Investiert wurden hierfür jährlich rund 800.000 Euro bis Ende letzten Jahres. Seit 2022 wurden die Investitionen auf eine Million Euro erhöht.
Täglich werden allein an Spielautomaten in Niedersachsen 1,5 Millionen Euro eingesetzt. Jährlich entspricht das einem Verlust von über 540 Millionen Euro durch Glücksspiel-Einsätze. Diese Zahlen wurden durch eine Untersuchung des Arbeitskreises gegen Spielsucht e.V. ermittelt, die im Jahr 2020 stattfand. Das niedersächsische Sozialministerium nutzt diese Werte, um die präventiven Maßnahmen gegen Glücksspielsucht zu erklären. Unklar ist jedoch, wie viel Geld tatsächlich wegen Glücksspielsucht ausgegeben wurde und welche Einsätze rein zur Unterhaltung getätigt wurden.
Die interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung, kurz ISD ist ein Institut in Hamburg. Dieses gibt an, dass rund 130.000 Menschen in Niedersachsen im Alter zwischen 16 und 70 Jahren spielsüchtig sind. Auch auf diese Werte stützt sich das niedersächsische Sozialministerium. Die neue Glücksspielregulierung soll derartige Zahlen eindämmen.
Oasis soll ein Ausweg aus der Spielsucht sein
Das neue Sperrsystem „Oasis“ wurde bundesweit eingeführt, wodurch auffällige Spieler über zwei Wege gesperrt werden können. Zum Einen können sich Glücksspieler selbst ausschließen, aber auch Fremdsperren durch Glücksspielunternehmen oder besorgte Mitmenschen sind möglich.
Dritte können jedoch nur Sperren beantragen, wenn Erkenntnisse vorliegen, dass sich der Spieler überschuldet oder die Gefahr einer Spielsucht gegeben ist. Durch riskante Einsätze, die nicht im Verhältnis zum Vermögen oder Einkommen stehen oder wenn Spieler finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, kann Spielsucht nachgewiesen werden.
Bei einer Fremdsperre werden zunächst die Betroffenen um Stellungnahme gebeten. Dieser erfahren dadurch auch, wer den Antrag auf Glücksspielsperrung gestellt hat. Erst dann wird der Fall in das Sperrsystem eingegeben und die Sperre somit wirksam.
Wer in der Oasis-Sperrdatei aufgenommen wurde, soll deutschlandweit keine Glücksspieleinsätze mehr tätigen können. Sowohl Sportwetten als auch Casino-Glücksspiele werden durch das System ausgeschlossen.
Alle Gaststätten mit Spielmöglichkeiten und Spielhallen müssen seit dem neuen Glücksspielgesetz in Oasis registriert sein. Daher sollen die im Sperrsystem geführten Personen weder online noch stationär Möglichkeiten zum Spielen vorfinden. Bis die Sperre tatsächlich durchgeführt wird, dauert es laut einem Bericht von NDR einen Monat, da der Auftrag zunächst bearbeitet werden muss.
Über 1.000 niedersächsische Gastronomiebetriebe sind bereits im Sperrsystem „Oasis“ registriert. Das Wirtschaftsministerium Niedersachsen kann jedoch nicht beziffern, wie viele Spielgeräte tatsächlich in Gaststätten vorhanden sind.
Die Suchtberaterin Silke Quast, die beim Diakonischen Werk Hannover GmbH tätig ist, befürwortet das Sperrsystem grundsätzlich. Da es jedoch große Mängel in der Umsetzung aufweist, empfiehlt sie dieses System Betroffenen nur sehr selten. Glücksspieler, die sich aus der Sucht befreien möchten, sind frustriert, wenn trotz der Sperre Möglichkeiten in einigen Spielhallen und Imbissbuden vorzufinden sind.
Online Casinos wurden legalisiert – ein Widerspruch?
Durch die neue Glücksspielregulierung wurde nicht nur Oasis eingeführt. Im gleichen Zug wurde das Online Casino legalisiert. Glücksspielbetreiber müssen eine Lizenzierung beantragen, um das Angebot online zur Verfügung stellen zu dürfen.
Für die Legalisierung wurde der Grund angegeben, dass der Schwarzmarkt eingedämmt werden soll. Nach einem halben Jahr wurden laut Bundesfinanzministerium bereits rund 203 Millionen Euro Steuereinnahmen durch Online-Glücksspiele erwirtschaftet. Von Januar bis Ende März 2022 wurden 150 Millionen Glücksspielsteuereinnahmen verzeichnet und die Tendenz ist steigend. Daher sehen Suchtexperten einen großen Widerspruch in Legalisierung und Suchbekämpfung und befürchten, dass die Anzahl an Glücksspielsüchtigen durch das Online Angebot weiter steigt.
Ernüchternde Bilanz nach einem Jahr
Nach einem Jahr mit dem neuen Glücksspielgesetz und dem damit verbundenem Sperrsystem ist die Bilanz eher ernüchternd, meint eine Sprecherin der niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen. Durch nicht durchgeführte Einlasskontrollen in vielen Spielhallen und einige unregistrierte Gaststätten hat sich die Situation nicht weitreichend verbessert. Aktuell gibt es 1.788 Spielhallen in Niedersachsen, von denen knapp ein Viertel noch nicht in Oasis aufgenommen wurden. Das sind die Zahlen der bundesweit zuständigen Stadt Darmstadt für das Sperrsystem. ✠